Texte

Rede zur Ausstellungseröffnung am 05.03.1994
in der Galerie Stücker, Brunsbüttel

Wolfgang Brunner ist ein sehr „genauer“ Maler. Seine Bilder sind streng komponiert, in Farbe und Form auf das Notwendigste reduziert und die Wirkung stets zwingend kalkuliert. Das zeigt sich schon in der Formatwahl: Überwiegend wird das richtungsneutrale Quadrat bevorzugt. Nur gelegentlich, wenn die Komposition es unbedingt erfordert weicht der Künstler auf ein extrem überlängtes Format aus, das auch im Nebeneinander als Dip- oder Triptychon erscheint. Wolfgang Brunner reduziert den Bildgrund auf eine homogene, mattschwarze Dispersionsfarbfläche, die einerseits raumlose Leere assoziiert, andererseits absolute materielle Verdichtung repräsentiert. Die Figuren, die sich auf diesem neutralen Grund in scharf gezogenen Formgrenzen zeigen werden in monochromer Farbigkeit dargeboten. Hier arbeitet Brunner mit Ölfarbe, das Schwarz des Grundes immer miteinbeziehend, der Farbauftrag ist sensibel, mit federndem Pinselduktus wird gezielt Nähe zu Naturmaterialien beschrieben.

Durch die oft extreme Vergrößerung der Ausgangsformen und die Ausblendung des Raumzusammenhanges entstehen spannende Bildrätsel, Fixierbilder, bei denen Figur und Grund kippen, sich gegenseitig aufheben und den Betrachter zwingen, das Zusammenwirken von Materialität, rätselhafter Bildform und raumlosem Bildgrund zu entschlüsseln und neu zu definieren.

Oberflächlich ließen sich die Arbeiten von Wolfgang Brunner dem Stilbegriff „Konkrete Malerei“ zuordnen, wäre da nicht ein unverkennbarer Zug zum Mystizismus, einer sinnlichen Empfindung die von sphärischer Spiritualität durchdrungen ist. Die Bildgegenstände, allesamt Ausschnitte unserer banalen Alltagswirklichkeit, werden je nach Abstraktionsgrad ihres Bedeutungszusammenhanges beraubt und in flächiger Präsentation zu bedrohlicher Monumentalität gesteigert. Daneben initiieren sie bei räumlich als auch mental wechselnden Beobachtungsstandpunkten überraschende Assoziationsketten die die emotionalen Seiten des Betrachters reflektieren. Dieses expressive Moment, das hinter der strengen Geometrie der Form und der Emotionslosigkeit des Gestaltungsprozesses lauert verweist auf die Kunstlandschaft des nördlichen Alpenrandes, die Wolfgang Brunner, der in München aufwuchs und studierte, deutlich geprägt hat. Dass er auch heute Einflüsse und Auseinandersetzungen nicht negiert, sondern sichtbar thematisiert und in seine ganz persönliche Bildsprache einschmilzt, ist obendrein ein spannender Aspekt seiner Arbeiten.


Andreas Böhm

Rede zur Ausstellungseröffnung im Alten Bauhof,
Laufen, 20.06.2009 „Laufen von hinten“

Liebe Gäste – ich darf doch ganz kurz um Aufmerksamkeit bitten!

Was ich Ihnen schon lange mal sagen wollte und was möglicherweise sogar in diesen Rahmen passt:

„Kunstgeschichte 20. Jahrhundert? Können Sie vergessen!

19. Jahrhundert können Sie auch vergessen. Im Wesentlichen. Doch, können Sie mir glauben. Ich verstehe nämlich ein bisschen was von Kunst. Die heutigen Künstler? Alles Scharlatane! Schauen Sie sich doch mal eine dieser sogenannten Kunstausstellungen an. Documenta, Experimenta , Elektronika, Cebit und wie sie alle heißen... mit Kunst hat das doch nichts zu tun. Kunst kommt von Können! Ein Künstler braucht vor allem Ausdauer, Geschicklichkeit und Fleiß.

Ich muss es wissen. Ich befasse mich nämlich seit Jahren nur mit den absoluten Meisterwerken der Kunstgeschichte. Seitdem ich diese Puzzles mache. „100 Meisterwerke“.  Jedes Puzzle rund 1000 Teile! Wenn Sie mal die „Alexanderschlacht“ aus 1000 Teilen zusammengesetzt haben, dann wissen Sie über dieses Kunstwerk Bescheid. Und zwar detailliert. - Oder Dürers Feldhase. Der hatte zwar nur 627 Teile, aber das meiste war Pelz. Da wird so ein Puzzle haarig. Das war wesentlich schwieriger zusammenzusetzen als die IKEA-Couch über der er jetzt hängt. Dafür ist dieser Feldhase aber auch Kunst. Und was für eine! Dagegen fällt die Couch absolut ab. Das liegt natürlich auch am Rahmen. Ich lasse ja meine Kunstwerke rahmen. Für den „Mann mit dem Goldhelm“ beispielsweise habe ich einen handgeschnitzten Holzrahmen anfertigen lassen. Original blattgoldbeschichtet. Obwohl meine Frau dagegen war.
Sie hätte gelesen, daß der „Mann mit dem Goldhelm“ eine Fälschung sei.

Wie kann der eine Fälschung sein, wenn ich ihn zusammengesetzt habe! Vier Tage habe ich dafür gebraucht. Der Goldhelm geht ja noch, aber außenrum ist ja alles schwarz. Da hilft beim puzzlen nur noch die Intuition. Die Intuition des Künstlers! Aber meine Frau beharrt darauf: Der „Mann mit dem Goldhelm“  ist nicht von Rembrandt. Ja klar ist der nicht von Rembrandt! Vom Rembrandt ist bestenfalls die Vorlage! Aber was ist das schon. Gemalt ist so ein Bild schnell. Aber zusammengesetzt, aus mehr als 1000 Teilen! In nur 4 Tagen! Das soll mir ein Rembrandt erst mal nachmachen. – Zur Zeit arbeite ich an einem neuen Meisterwerk. „Mona Lisa.“  1200 Teile. Seit einem Jahr übe ich jeden Tag. Und wenn ich dieses Kunstwerk in weniger als 15 Minuten schaffe, dann melde ich mich bei „Wetten daß...“  Da mag meine Frau noch so blöd grinsen. Dann wird sie schon sehen, wer hier der größere Künstler ist.

Ins Guiness-Buch der Rekorde hat es dieser da Vinci bisher jedenfalls nicht geschafft.“

Lieber Hausherr Hagen Schiffler, lieber Wolfgang Brunner, 

liebe Gäste,


Freund Wolfgang hat mich gebeten, bei seiner heutigen Ausstellungseröffnung für verbale Nicht-Langeweile zu sorgen – ob dies gelingen wird, vermag ich nicht vorherzusagen; was ich aber schon jetzt weiß: ich werde Ihre Zuhör-Zeit sicher nicht zu lange beanspruchen! 


Nun, langweilig wird dem „Kunstsachverständigen“ in der eben gehörten Satire von Jürgen Geers sicher nicht, denn bitte: wer setzt sich pro Bild schon freiwillig mit 1000 Einzelteilen auseinander...?


Vielleicht einer, der es genau wissen,  kein Teil vergessen und eins zum andern fügen will, dessen Blick stetig hin- und herwandert zwischen der immer vertrauter werdenden Vorlage und dem bestenfalls ungebremst anwachsenden Stückwerk, das auf diese Weise Details offenbart, die das komplette Bild so vielleicht gar nicht freigibt...


Einer, der keine ausgestanzten Puzzles braucht um Details freizugeben ist Wolfgang Brunner, der nun ab heute hier bei Hagen Schiffler im Alten Bauhof zu Laufen neue, „kleine, feine“ Arbeiten herzeigt und natürlich auch feilbietet.


Wolfgang Brunner wohnt mit seiner Frau Petra –wie Sie sicher wissen- hier ganz in der Nähe in der –wie ich gerne sage- Stadtmauer. Und wenn ihm seine Stadtmauerbehausung zu eng wird, was macht er dann? Richtig: dann geht er in die Schule zum unterrichten oder zum Stammtisch bei der Cenzi. Wenn er aber was Gscheids sehen will, wenn er seinen Blick in die Ferne schweifen lassen will, daaann, jaaa dann braucht er bloß aufs Dach von seinem Stadtmauerhaus gehen und den Blick schweifen lassen in die unendlichen Weiten und nicht zu zählenden Verwinkelungen der sich ihm dann darbietenden Laufener Dachlandlandschaft.


Und weil er halt auch aus seiner Haut nicht raus kann, sieht und fühlt und spürt er dann sofort: Moment amoi – das ist nicht nur die unheimliche Dächerwelt der Laufener Altstadt, das kann Kunst werden! 


Gesagt  - getan! Als Mann der „Kunst-Tat“ hat er sich seinen ungewöhnlichen Blick hinter die vertrauten Fassaden als Modell genommen, als Vorlage, als Inspiration.


Und genau dieser Blickwinkel von seiner Dachterrasse auf Hausrücken, Innenhöfe, An- und Aufbauten, Balkone, Fenster, Kamine und auf etwas „urbanes Grün“ dazwischen war der Grund für die Bilderserie „Laufen von hinten“.

Und wenn – so geschehen- aus einer Bildidee, aus einer Inspiration eine ganze Serie wird, kann man sich vorstellen, welch reichhaltiges Formenvokabular sich auftut, ein Formenvokabular, das sich zu einer Bildsprache entwickelt, in der wir uns – wie ich meine - gerne anreden lassen. 


Nun, er will sicher keine „duftigen“ Aquarelle pinseln, auch geht es ihm nicht um topografische Genauigkeiten. Er nimmt die Wirklichkeit als Repertoire, als Ausgangspunkt, um eine Bildwirklichkeit zu erschaffen, die das Größer und das Kleiner aufzeigt, die Verdichtung und das Gesamtgefüge. Er will herausfinden, wie die großen Flächen zu den kleinen stehen, und lässt sie schließlich auch farblich kommunizieren.


Kandinsky sagt: „Komposition ist die Summe der Beziehungen der Bildteile untereinander und zum Ganzen.“
- und genau diese Beziehungen macht Wolfgang Brunner mit seiner Serie „Laufen von hinten“ sichtbar.

Beispiel: Der Kamin endet optisch eben nicht an einer Verblechung, sondern erstreckt sich als bildnerische Ebene durch das gesamte Format, oder es werden um eben diesen Kamin verschiedene schiefwinkelige Beziehungen aufgebaut, oder ein benachbarter Kamin korrespondiert mit dem vorher genannten...und so weiter, und so weiter...


Und unschwer zu erkennen: Wolfgang Brunner macht das immer so, dass es eher zur Labilität, als zur Stabilität neigt und sich so eher dem Gedankenkonstrukt verbindet, als einem Bauvorhaben, also einer statischen Aufgabenstellung.

Auge und Hirnkastl bekommen hier also ordentlich was zu tun; ich hoffe, Sie verbauen Ihren Sinnesorganen diese Chance nicht! Die Gelegenheit eben, Freude an der sogenannten  „tätigen Auseinandersetzung“ mit den Bildern zu finden, die sich möglicherweise dann auch außerhalb der Ausstellung fortsetzen könnte, sozusagen als Aufforderung an den Betrachter: „Fernsehantenne plus Fensterkreuz“ = ästhetisches Phänomen!


Was man natürlich, - wie ich meine- keinesfalls verschweigen braucht, ist der Bezug zu Laufen. Für den Künstler war er Ausgangspunkt, und wenn er für uns eine Blickwinkeleröffnung darstellt, dann ist das doch das eine oder andere Hinschauen wert.


 In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und mir viele neue Blickwinkel – ich vermute, dass hier jeder neue Rundgang neue Bilder offenbart...


...es lohnt sich also, heute im Alten Bauhof zu bleiben. 


Ich danke für die Aufmerksamkeit.


Ernst Jani

Rede zur Ausstellungseröffnung „Werkschau II“ am 12.10.2018
im Liebenweinturm, Burg 18, Burghausen

Ich freue mich sehr.


Meine sehr verehrten Damen und Herren.

Lieber Wolfgang.


Es geht um´s Entdecken. Um´s Entdecken und Verstecken,

und es könnte beinahe den Eindruck erwecken als möchte uns hier jemand an der Nase...

ja, und um´s Necken - vielleicht - aber was sich liebt ...


Doch nun der Reihe nach:


Das mit dem Entdecken ist keine Privatangelegenheit.

Wolfgang Brunner ist kein Tourist, der irgendwelche Bilder malt.

Wolfgang Brunner ist aber auch kein Photograph, der uns mit Hilfe der Kamera quasi kostengünstig an alle nur erdenklichen Plätze der Welt verfrachtet: Nein!


Mit beinahe detektivischer Schärfe im Blick macht sich Wolfgang Brunner unermüdlich auf den Weg, nach dem Besonderen im Einfachen zu fahnden, es zutage zu fördern und dann in einem zweiten Schritt malerisch so einzukleiden, dass wir an der Freude des Entdeckens, des Ermittelns, ja, dass wir an der Lust des Auskundschaftens selbst Anteil haben können.

Der Reiz dabei, etwas ans Licht zu bringen, etwas optisch sozusagen zu bergen, zu ergründen und dabei mit möglichen Bedeutungen zu liebäugeln, daran lässt er uns Anteil nehmen, indem er seine Werke gezielt einer unmittelbaren, vorschnellen Lesbarkeit entzieht. 

Seine Werke sind dabei oft von Landschaften oder gar Alltagsgegenständen inspiriert - sie werden aber niemals einfach nur abgebildet, sondern durchlaufen einen malerisch wohl dosierten Verwandlungsprozess.


Bei den ausgiebigen Bild-Beutezügen von Wolfgang Brunner, die mittlerweile viele Jahrzehnte erfolgreich andauern, kommt zu der eigenen Bildmotiventdeckung also immer auch die Erfindung der geeigneten Gestalt in Farbe und Form hinzu - das ist ähnlich wie mit einer guten Verpackung, die uns das Wertvolle nicht vorschnell enthüllt.

Nur so funktioniert seine Einladung zu einem Moment des Staunens, nur so kann er weitergeben, was im Faszinosum eines Suchens und Findens verborgen liegt.


Wolfgang Brunner genießt nicht allein, sondern lädt bildnerisch gesprochen ein zum gemeinsamen Festessen seiner optischen Gaumenfreuden.

Diese sind von hoher kompositorischer Komplexität, sind trickreich, vielseitig, teils frech manchmal unverschämt, unverschämt gut, mit dem Ziel, seine Freude über den guten Fang für uns in Bilder zu transformieren und damit sozusagen für eine Wiederentdeckung durch uns vorzubereiten.


Bei diesem bildnerischen Prozess forscht und ermittelt er auf einem zunächst derartig fremdartig wirkenden Grund und Boden, einem Gelände zwischen Zwei-und Dreidimensionalität, einem Terrain, das scheinbar nicht sein darf, so dass es mindestens eines zweiten oder gar dritten Blickes bedarf, bis man endlich verstanden hat, dass man eigentlich nichts verstanden hat.

Denn kaum glaubt man einen bestimmten Bildplan entschlüsselt zu haben, formiert sich plötzlich eine Bildwirklichkeit, die der zuvor erdachten vollständig entgegenläuft und umgekehrt.


Da gibt es zum Beispiel die vermeintlich simplen Pappendeckel und Tetrapacks und sonstige Packpakete, die sich, verwandelt in neuer filigraner Figuration, jeglicher Benutzer- oder Gebrauchsfunktion entziehen und zu fragilen und hoch empfindlichen Seidenpapierschnittmustern zu werden scheinen. Doch sobald man sie fassen glaubt zu können, verlassen sie ihren eben noch als luftig empfundenen Charakter und mutieren augenblicklich zu monumentalen Wesen ähnlich einer Großplastik unter freiem Himmel.

Das Bild huscht geradezu zwischen unterschiedlich körperhaft erfahrbarer Präsenz hin und her und wo man es zu fassen versucht, verhöhnt es den Betrachter mit dem vordergründig vermeintlich Greifbaren – dem Pappendeckel.


Auf diese Weise zelebriert Wolfgang in unbeschreiblich zielsicherer und hingebungsvoller malerischer Intensität unterschiedliche Daseinsformen von oft atemberaubend simplen Alltagsfundstücken und lässt uns Teilhaben an der Vielsichtigkeit und Vielschichtigkeit des Einzelstücks. Dabei gibt es beispielsweise sowohl strahlende als auch gebrochene Farben mit unterschiedlich hoher Leuchtkraft, mal dominiert die Farbe das Geschehen, mal tritt sie bescheiden zurück, bildet ruhige Flächen und schafft atmosphärische Räume.


Die gemeinsame Spielwiese seiner Ölmalereien ist seit langem schon das Schwarz.

Der Urgrund seiner Arbeit, sowohl vielleicht die Bedingung der Bilder, als aber auch ihr Gegenüber.

Es ist das Nichts zum einen aber auch die Basis und der Neustart einer Malerei, die in beeindruckender Weise versucht, die Bildmotive durch das Schwarz von der Leinwandebene wegzudrücken, eine Malerei, die sich auf diesem Weg fast quasi selbst verräumlicht und eine gewisse Schwerelosigkeit der Bildobjekte begünstigt, die dadurch aus dem Bild herauszuspringen scheinen und die damit der althergebrachten Leinwand beinahe den Rücken zu kehren. Das nenne ich frech.


Das Schwarz ist aber auf der anderen Seite auch Teil des Bildes, tritt aus dem Hintergrund hervor, mogelt sich ins Bildmotiv und wird Teil des Bildraumes, ebenso, wie es sich auch wieder zurückzieht als sei es der Schatten der Arbeit irgendwo auf einer imaginären, weit entfernten Projektionsfläche - wie ein ungewöhnlich schwarzer Spiegel aus mattiertem Glas.

Und so hat dieses Schwarz praktisch Schuhlöffelfunktion, wie eine Rutsche, die dem Bildmotiv hilft, in sein unterschiedlich erfahrbares Gewand zu schlüpfen, ein Gewand, das sich ebenso schnell wieder verflüchtigen kann und gleichsam entrückt, sobald man ihm näher rückt.

Mit den Arbeiten von Wolfgang Brunner erleben wir eine äußerst geschickte Jonglage mit Sehgewohnheiten, Seherwartungen und vermeintlich bekannten Bildmustern, ein Kunststück, das aber stets in letzter Konsequenz erfreulich selbstkritisch bleibt, denn wenn jemand sein Bild „Holterdipolter“ nennt, dann muss klar sein, dass hier jemand seinen eigenen Vogel zum Fenster rauswirft und über sich selbst lachen kann.


... ein Fazit:

Wolfgang Brunner ist kein Schuhlöffelverkäufer und alles andere als ein Schwarzmaler, er ist weder Verpackungskünstler, noch Hochgeschwindigkeitsarchitekt, der zwischen Schein und Wirklichkeit geradezu souverän hin und her zu zappen vermag.

Wolfgang Brunner ist aber auch nicht einfach das perfekt funktionierende Bildplanungsbüro samt Meisterwerkstatt in einer Person, nein, das wäre viel zu vereinfacht und vor allem viel zu technisch betrachtet, aber der Wolfgang ist vielleicht, schlicht, das kleine aber unfassbare Wunder, das es immer wieder aufs Neue schafft, mit unglaublicher Hingabe und unbeugsamem Willen, vielleicht sogar Instinkt oder eher vielleicht Intuition, uns an einer Bildwelt, an einer Blickwelt, an einer Trickwelt Anteil haben zu lassen, die wir ohne seine feine Aufbereitung niemals erleben und entdecken und die wir vor allem ohne die bildnerisch liebevolle Verhüllungstechnik seiner optischen Edelpräparate niemals so gerne auspacken und genießen könnten.


Und Auspacken ist ja bekanntlich das Schönste; und das vor allem, wenn man wie wir alle, unverdient beschenken werden.


Eine kleine Zugabe hätt‘ ich noch.


Sie gilt dem poetischen oder vielleicht sogar philosophischen Gehalt der Arbeiten:

... und zwar, hier zum Schluss eine kleine Textpassage aus einer wunderschönen Kurzgeschichte von Michael Ende, die ich sinngemäß und in Auszügen vortragen möchte.


Ich widme diese spezielle Stelle einem ganz konkreten Ölgemälde, und zwar, diesem einen geheimnisvollen Bildmotiv in dieser sichelförmigen Gestalt in einer zarten, kaltweißen Blässe - wenn Sie es schon entdeckt haben sollten - das einem fremdartigen Unterwassertierchen, einer uralten Echse oder gar einem weit entfernten Himmelskörper ähnelt – eine Textstelle, die meines Erachtens der Arbeit von Wolfgang Brunner noch einen i-Tupf verleiht und ihr eine weitere und vor allem tiefere Sinnebene gibt.


Da heißt es:

Mitten im indischen Urwald lebte ein alter, sehr weiser Elefant. Er stand auf vier gewaltigen Beinsäulen am Ufer des heiligen Stroms, streute sich hin und wieder ein wenig weißen Sand auf den Kopf oder nahm eine kühle Dusche, um sich zu erfrischen; denn die Natur hatte ihn in ihrer Freigebigkeit neben vielen anderen Gaben auch noch mit einer eigenen Badebrause beschenkt.

Der Elefant empfand dies täglich aufs Neue voll Dankbarkeit und Freude. Seit wie langer Zeit er hier schon lebte, konnte niemand in der Nachbarschaft mit Bestimmtheit sagen. Selbst die ältesten Schildkröten behaupteten, er habe schon immer an dieser Stelle gestanden. Mit einem Wort, niemand kannte sein Alter. Und er selbst hatte es vergessen; denn für solche Nebensächlichkeiten hatte er kein Gedächtnis.

Er dachte an ganz andere Dinge.

Nun werdet Ihr sicher wissen wollen: worüber dachte er nach?

Nun, eigentlich liebte er jeden Gedanken, der groß und schön war. Hauptsächlich groß.  

Denn so war er selbst - nicht nur äußerlich, sondern auch in seiner Seele.

Wenn zum Beispiel der samtblaue Nachthimmel Indiens sich in dem Wasser zu seinen Füßen spiegelte, dann war der Elefant ergriffen und dachte voll Ehrfurcht: Mond!

Sonst dachte er nichts, nur einfach Mond!

Es war ein sehr großer Gedanke.

Der Elefant wiegte sein mächtiges Haupt hin und her, raschelte leise mit seinen reichlich bemessenen Ohren und fühlte sich klein und unbedeutend im Vergleich zu den Wundern des Nachthimmels.

(...)


Ich danke für die Aufmerksamkeit.


Jaro Vent 

Rede zur Ausstellungseröffnung am 29.4.2022
in der Stadtgalerie Freilassing

Guten Abend meine Damen und Herrn ... manche würden jetzt sagen – und was ist mit den Diversen, Nicht-binären usw.?


Es fällt leicht heutzutage, in eine Genderfalle zu geraten, sich politisch unkorrekt zu äußern - und es fällt leicht sich darüber zu mokieren, solange man nicht zu einer diskriminierten Minderheit gehört. Auch wenn man den Titel dieser Ausstellung, „Die Erfindung des afrikanischen Tafelbildes“ zum ersten Mal hört, könnte man dies ganze Vorhaben Wolfgang Brunners als politisch gänzlich unkorrekt interpretieren: Da eignet sich (und ich zitiere hier Wolfgang persönlich) ein „alter weißer Mann“ afrikanische Kunst an, behauptet sogar, sie neu zu erfinden, verkauft sie anschließend noch – und schlägt vielleicht Kapital aus dem künstlerischen Erbe eines (besonders in unserer jetzigen Zeit) oft vergessenen Kontinents.


Aber Brunner geht es mit dieser Ausstellung um etwas anderes – er hat hier Anliegen - und darüber möchte ich heute sprechen. Was ist Kunst? Was will Kunst? L´art pour l´art – Kunst genügt sich selbst? Steht für sich selbst? Braucht damit auch nicht hinterfragt zu werden? Hat sie denn keinen Auftrag? Fühlen wir uns beim Hören einer Beethovensymphonie nicht erhaben – soll sie uns also „erheben“? Und wenn ja wohin? Und macht uns dieses Erheben dann zu bessern Menschen? Wohl kaum, wenn man an die NS-Zeit mit ihrer Liebe zu den „großen Deutschen“ Bach, Beethoven, Hayden ... denkt. Oder ist sie vielleicht unverzichtbarer Teil unseres neoliberalen Geldbeschaffungssystems? Und was ist mit den Werken der Künstler, die Ihr Oeuvre verbergen, nicht gesehen/entdeckt werden, nicht für die Öffentlichkeit bereitstellen oder, von den Einnahmen daraus, bei weitem nicht leben können? Haben die dann überhaupt eine Berechtigung?


Als sich Wolfgang und ich vor einem guten halben Jahr, bei einigen Bieren in der Laufener Braukuchl zum ersten Mal über seine neuen Bilder unterhielten, erzählte er mir (und vor 3 Wochen noch einmal, denn das erste Gespräch war so hochintellektuell geworden (insbesondere nach dem zweiten Bier) dass ich mich nicht mehr an alle philosophischen Ergüsse, die wir damals getätigt hatten, erinnern konnte) – erzählte er mir also noch einmal, wie er zu diesem Thema gekommen war.


Seit 2002 war Brunner achtmal im südlichen Afrika gewesen. Angefangen hatte er in Namibia mit Aquarellen – selbstverständlich keinen Wiedergaben der Topographie sondern, wie könnte man es auch anders erwarten, wenn man sein bisheriges Werk kennt, Ausschnitten daraus – aus der Sicht des weißen, westlich akademisierten, geschulten, alten Mannes. In der späteren Auseinandersetzung mit diesen Aquarellen – und im Nachdenken über die Unterschiede der europäisch geprägten Kunst und der afrikanischen Volkskunst (und hier sind nicht die für die Touristen gefertigten Giraffen, Elefanten und Krokodile gemeint) kamen die Zweifel – die ja häufig den Anstoß geben zu Veränderung und Weiterentwicklung. Kann sich denn der erwähnte „alte weiße Mann“, dessen Blick stets durch die westliche Sicht des geschulten Bildungsbürgers gebrochen ist, überhaupt der afrikanischen Kunst annähern? Ist ein Verständnis dieser überhaupt möglich? Denn dass er sie nicht so wahrnehmen kann wie ein in diesem Kulturkreis geborener, aufgewachsener, verwurzelter ist wohl selbstverständlich.


„Wie?“ „Wieso?“ „Warum?“ Wir haben es doch geschafft, uns die Erde untertan zu machen, können mit unserer Logik, unserer Ratio alles zergliedern und damit verstehen... Und dies gilt insbesondere für das „moderne“ Europa, das vielleicht mit Decartes „cogito ergo sum“ beginnt, vielleicht aber auch schon früher mit der griechischen Naturphilosophie. Fortgeführt, nach dem „dunklen, christlich geprägten Mittelalter“ , durch die Astronomen und Mathematiker wie Kopernikus, Galilei und Kepler, die der Menschheit die erste große Kränkung zufügten – mit ihrer Erkenntnis, dass wir beileibe nicht der Mittelpunkt des Schöpfung sind sondern auf einem kleinen, wohl eher unbedeutenden Planeten am Rand unserer Galaxis mit ihren hunderten Milliarden Sternen leben. Aber genau dies Zergliedern scheint hier ein Problem zu sein. Man denke an unsere jungpaläolithischen Vorfahren in Lascaux, die Ägypter, die alten Römer. Schon diese europäischen und um das Mittelmeer herum lebenden „alten Künstler“ haben auf ihren Bildträgern fast immer die gesehene Wirklichkeit dargestellt. Teilweise fotografisch genau, meist erzählend. Und wenn sie denn Figuren darstellten, die so nicht in ihrer Realität vorkamen, dann waren sie häufig zusammengesetzt aus gesehenen Versatzstücken: Götter mit Ibisköpfen, Sphinxe mit Löwenkörper, Falkenflügeln und einem Frauengesicht, geschmückte Delfine; die allegorischen Gestalten eines Hieronymus Bosch ... (und erst im 20 Jahrhundert trauten sich die Künstler, Klee, Mondrian .... Kunst neu zu denken und umzusetzen).


Und im südlichen Afrika? Meist Skulpturen, immer aus geometrischen Grundformen zusammengesetzt - nie Abbild sondern immer Ideal, Idol, Sinnbild, magisch-mythisch. Hier treffen ganz unterschiedliche Wahrnehmungsarten aufeinander. Woher kommt diese unterschiedliche Sicht auf die Realität? Wobei man „Realität“ vielleicht eher Wirklichkeit nennen sollte. Denn Realität ist objektiv, nachprüfbar und unanfechtbar (und wie wir inzwischen wissen, können wir Menschen nur einen verschwindend geringen Teil dieser Realität überhaupt mit unseren Sinnen erfassen - und noch viel weniger davon wirklich verstehen). Dagegen ist die Wirklichkeit immer durch unseren subjektiven Blick geprägt, durch unsere Herkunft, Geschichte, das was wir gelernt, gelesen vor allem aber erfahren haben. Wenn wir hier konsequent sind, müssen wir uns eingestehen, die Realität nie verstehen zu können – sondern nur unsere eigenen Wirklichkeit, also unsere Interpretation der Realität. Fast schon Brigitte-Psychologie scheint es zu sein, wenn man diesen Unterschied in der Weltbetrachtung auf die Lebensumstände zurückführt. Aber könnte es nicht sein (trotz Brigitte, schlägt Wolfgang vor), dass die klimatisch oder geographisch bedingte Notwendigkeit der Vorratshaltung, des sich Sorgen-müssens um den nächsten Winter, uns Nordlichter zu vorausschauenden, analytischen, besorgten Menschen macht, die viel in der Vergangenheit und der Zukunft leben. Und dass die „paradiesische“ Bereitstellung von Nahrungsmitteln über das ganze Jahr hinweg ein Leben im Augenblick befördert, Zeit gibt zum Wahrnehmen, in sich Hineinfühlen, sich im All-Ganzen geborgen fühlen können. Dass dadurch das reale Bild gar nicht benötigt wird? Vielleicht sogar hinderlich wäre?


Natürlich müsste man diese Idee durch Untersuchungen in Südost-Asien, in Mittelamerika einerseits und in Sibirien und Kanada andererseits zu verifizieren suchen. Und vielleicht regt sich auch unter Ihnen jetzt sofort Widerspruch (ausgearbeitete Widerlegungen gerne an mich oder Wolfgang per mail ...) Aber: diese Idee des Aufeinanderprallens der rational-dualistischen „modernwestlichen“ Lebensart – und der des magisch-mythischen Eingebundenseins in der Zone zwischen den Wendekreisen (bzw. knapp südlich von diesen) hat Brunner nicht losgelassen. Hier die Vorstellungen des im Westen zivilisierten Malers Brunner, persönlich seit 40 Jahren der Bildfläche verbunden, meist Ausschnitte malend, Nudeln in Nahaufnahme, Eierkartons, wenn auch bis zur Unkenntlichkeit verfremdet - und nun die selbstgestellte Herausforderung, eine Bildsprache für real nicht vorhandene Bilderwelten für sich neu zu finden. Kurz: das afrikanische Tafelbild zu erfinden. Ganz bewusst hat sich Brunner bei der Annäherung an diese Aufgabe bei der Wahl der Materialien soweit wie möglich reduziert. Statt Leinwand – Pappkartons, mit Packpapier überzogen. Kleister, bekannterweise aus Mehl und Wasser bestehend. Als Farben Bister (aus Ruß), Sepia (wenn auch inzwischen nicht mehr aus der Tinte der Kopffüßer gewonnen) und sonst nur noch das nötige Acryl. Und das Ganze mit Holzlatten auf der Rückseite verstärkt - so dass dann doch eine gewisse Dreidimensionalität zu ahnen ist. Wie sollte er aber nun zu dieser fremden mythisch-zauberischen afrikanischen Wirklichkeit gelangen, die nie die Realität darstellt? Wie, als westlich geborener, geschulter, gelebter „Nachzeichner“, natürlich Interpret dieser Realität eine Bildsprache entwickeln, die dem afrikanischen „Nicht-Nachahmen“ gerecht wird und doch das eigene Erbe nicht verleugnet.  Entwicklung, Evolution, Fortschritt richtig verstanden bedeutet ja stets, das Neue mit dem Alten zu verbinden, nicht Überwindung, Abspaltung des Alten sondern Integration - womit ein komplexerer Zustand erreicht werden kann. Und hier darf nun endlich der Physiklehrer in mir zu Wort kommen, der weiß – naja, zu wissen glaubt, dass wir, umgeben von einer schieren Unendlichkeit unterschiedlicher Schwingungen, von denen wir nur die des Schalls und die des für uns sichtbaren Lichtes durch unsere Sinne wahrnehmen können, also nur einen verschwindend geringen Teil der Realitäten in unserem Universum - der zu wissen glaubt, dass alles weiter Erfahrbare auf Resonanz beruht.


Eines von Brunners Zielen könnte also sein, in seinen Tafelbildern diesen afrikanischen Geist als „Schwingung“ erfahrbar zu machen, Resonanz zu ermöglichen, Resonanz, zwischen den Bildern und Ihnen, den Betrachtern. Das erfordert aber von Ihnen ein Herangehen an diese Bilder, ein Betrachten, das in unserer Welt des schnellen Ansehens, Erfassens und Beurteilens vielleicht verlernt worden ist. Vielleicht ist es in dieser Ausstellung sinnvoll, nicht an diesen hundert Bildern vorbeizulaufen und sich schnell den Häppchen und dem Prosecco zu nähern. (Und vielleicht nicht nur in dieser Ausstellung, sondern überhaupt in unserem Leben). Sondern sich vielleicht nur wenigen Bildern, oder gar nur einem auf andere Art zu nähern. Nämlich es zu betrachten, sich auf sein „Schwingungen“ einzulassen, zu erspüren versuchen, ob etwas in Ihnen in Resonanz gerät, eine Empfindung erzeugt, zu klingen beginnt. Achtsam könnte man das nennen. Dann wäre dies der erste Schritt zu einer Vereinigung des magisch-mythischen mit dem rational-mystisch-pluralen Weltbild, ja eine Weiterentwicklung eine Evolution von uns Menschen zum wirklichen homo sapiens, zum „weisen Menschen“ - den wir ja, wie uns die heutige Zeit deutlich vor Augen führt, dringend benötigen.


Ich wünsche Ihnen für diese Ausstellung Erstaunen, Verstehen, Mut zur Muße, Achtsamkeit, Freude – ja und vielleicht ein bisserl Mitschwingen mit dem, was Wolfgang Brunner in seine Tafelbilder hineingeschwungen hat.

Wie gesagt: einen schönen Abend meine Damen, meine Herrn und.... Nein: - einen schönen Abend uns allen!


Florian Gerhaher

Anschrift

  • Wolfgang Brunner
  • Am Stadtpark 5
  • 83410 Laufen